Züchterische Gesichtpunkte

Einige Überlegungen zum Thema Zucht

Die Tierzucht und insbesondere die Bienenzucht bieten ein kaum zu überschaubares Angebot an Methoden. Einigkeit besteht darüber, daß die Zuchtarbeit gerade bei den Bienen unverzichtbar ist. Die Zuchtarbeit ist besonders in Regionen notwendig, wo das Leistungsniveau und die Umgänglichkeit der gehaltenen Bienen zu verbessern sind.

Erschwerend wirkt sich in der Bienenzucht aus, daß die Königin das Sperma von mehreren Drohnen erhält und das angesichts des haplo-diploiden Erbganges in vermehrtem Maße neue Gen- und Merkmalskombinationen entstehen. Dazu kommt, daß die Bienen eine kurze Generationenfolge aufweisen und die Geschlechtstiere sich in der freien Natur im Flug unkontrolliert paaren. Eine anhaltende Stabilität ist unter diesen Bedingungen nicht zu erwarten und erfordert deshalb die ständige Kontrolle und Einflußnahme.

Beachtung verdient die Tatsache, daß bei der natürlichen Paarung eine starke Auslese unter den Drohnen stattfindet die bei der künstlichen Besamung in dieser Weise nicht möglich ist. Ein Bienenvolk erzeugt einen enormen Überschuß an Drohnen, und nur den aktivsten Drohnen gelingt schließlich die Paarung. Nach Möglichkeit sollten deshalb nur besonders vitale Drohnen ausgewählt werden, an denen es aber leider häufig mangelt.

Über die  instrumentellen Besamung kurzzeitig höhere Erträge erzielen zu wollen kann angesichts des hohen Aufwandes nicht die Aufgabe sein. So hatte sich z.B. eine Königin und deren Volk vergleichsweise durch einen besonders hohen Honigertrag ausgezeichnet. Sie wurde am Ende eines Besamungskurses mit Drohnen der Kursteilnehmer besamt, die aus ganz unterschiedlichen Regionen stammten. Als einziges Volk lieferte es viel dunklen Waldhonig! Aber die Kehrseite in diesem speziellen Fall: Der Varroabefall war wohl schon allein wegen der starken Bruttätigkeit sehr, sehr hoch. Das Volk überlebte das nächste Jahr nicht mehr. Das Ziel kann deshalb nur sein, langfristig Verbesserungen des ganzen Bestandes anzustreben. Das funktioniert nicht ohne ständige Beobachtungen, Kontrollen und und nachfolgende Selektion.

Ansprechen möchte ich hier Bienenhalter, die sich die Frage stellen, was überhaupt für ihre persönlichen Verhältnisse machbar und empfehlenswert ist wenn sie die instrumentelle Besamung erfolgreich anwenden wollen.

Erb- und Umweltfaktoren

Die Erbfaktoren können bekanntlich nur für einen Teil der erzielten Nutzleistungen verantwortlich gemacht werden was insbesondere für den umweltabhängigen Honigertrag zutrifft. Insgesamt sind sie jedoch von größter Tragweite. Die Mendelsche Genetik, die sich auf den Erbgang einzelner Gene bezieht, spielt übrigens bei Nutzleistungen im Zusammenspiel vieler Erbfaktoren und ihren Wechselwirkungen keine Rolle.

Ziel der Auslese ist es den Anteil der gewünschten Erbanlagen zu erhöhen, die die Bienenhaltung erst erstebenswert machen. Das darf aber nicht zu Lasten der Anpassungsfähigkeit gegenüber der Umwelt gehen, weil durch die Selektion in nur eine bestimmte Richtung zwangsläufig die Einengung erblicher Anlagen die Folge wäre.

Einerseits sind also viele Genanteile erwünscht, die eine sichere Vererbung ausgelesener Leistungsmerkmale garantieren, gleichzeitig soll auch eine hohe Anpassung an die unterschiedlichsten Umweltfaktoren vorhanden sein. Die erfolgreiche Züchtungsarbeit zeichnet sich nun dadurch aus diesen Widerspruch abzuschwächen. Ihn ganz aufzulösen wird nicht möglich sein. Jedes Paarungssystem hat seine Vor- und Nachteile.

 Prof. Förster zeigt in der folgenden Abbildung die Wesensmerkmale auf.

Bewertung der Paarungssyteme

Einzelne Königinnen mit ausgesuchtem Sperma zu besamen wird den Zuchtfortschritt für bestimmte erwünschte Merkmale zwar steigern, gleichzeitig kann aber die Verschiedenartigkeit der Gene (Biodiversität) darunter leiden. Das mag im Einzelfall für das heimatliche Areal weniger von Bedeutung sein, für Standorte mit anderen Tracht- und Umweltbedingungen aber schon. Die Zusammenhänge sind also kompliziert.

Besamungsspritze mit hoher Kapazität

Immer wieder kann ich feststellen, daß nach Besamungsspritzen mit hoher Kapazität gefragt wird. Der Wunsch vieler Anfänger ist es möglichst große Mengen Drohnensperma in die Spritze zu bekommen und anschließend viele Besamungen vorzunehmen. Abgesehen davon, daß bei einem Mißgeschick das ganze gesammelte Sperma verlorengehen kann, bietet das bei der üblichen Anwendung keine Vorteile. Viele Besamungen sind auch mit der Standardspritze und den üblichen Kanülen möglich.

Wenn das Sperma von Drohnen eines größeren Bestandes zum Einsatz kommt kann es nur das Ziel sein im Durchschnitt leistungsfähigere Nachkommen mit guten Eigenschaften zu erzeugen. Es ist jedoch nicht zu erwarten, daß einzeln selektierte Merkmale sich bei den Nachkommen erkennbar durchsetzen.

Die Drohnen aus einer größeren Völkerzahl auszuwählen ist also nur dann zu empfehlen, wenn es darum geht, das Zuchtniveau zu verbessern und später daraus gute Gebrauchsvölker zu erstellen. Werden die Spermaportionen noch gut durchmischt, so hat man zudem eine ausgeglichenere Vaterseite, was den Vergleich zwischen den besamten Königinnen erleichtert. 

Wenn aber eine gezielte Selektion besonderer Merkmale beabsichtigt ist muß anders vorgegangen werden. Mit ausgesuchten Einzelpaarungen wird das gesteckte Ziel viel schneller erreicht. Ein noch besseres Ergebnis ist zu erzielen, wenn nicht nur die Königinnen sondern auch die einzelnen Drohnen aus einer vorselektierten Population stammen.

Wer sich näher mit der angesprochenen Thematik und darüber hinaus mit dem Basiswissen beschäftigen möchte, dem seien die Beiträge (1) und (2)  von Prof. Dr. Förster empfohlen, die durch Anklicken aufgerufen werden können. Seine Ausführungen haben übergreifend Gültigkeit für alle Zuchtrichtungen. Der Verfasser, selbst Imker, war Lehrstuhlinhaber für das Fachgebiet Tierzucht an der Tierärztlichen Fakultät der Universität München. Es darf davon ausgegangen werden, daß er sich in der Nutztierzucht wie auch im Vergleich dazu mit den Besonderheiten der Bienenzucht bestens auskennt. Die dargelegten Zusammenhänge haben im Prinzip für alle Bienenherkünfte und Bienenrassen Gültigkeit. Die jeweiligen Zuchtgemeinschaften und Zuchtverbände verfügen aber über eigene Rassestandards und Vorschriften, die im einzelnen genau festlegen wie die Zuchtarbeit ihrer Mitglieder abläuft und anerkannt wird. (Es sei an dieser Stelle angemerkt, daß heute die Erstbezeichnung „Apis mellifera“ von Linné gültig ist und nicht seine spätere treffendere Bezeichnung „Apis mellifica“ ,  die  Förster noch im Teil 1 verwendet).  

Für diejenigen, die die Besamung allein zur Erhaltung  gefährdeter Unterarten unserer Apis mellifera einsetzen wollen, z.B. für die Dunkle Biene, so ist die Vorgehensweise vergleichsweise einfach. Hier gibt es nicht viele Alternativen. Soll aber der eigene Bestand auf ein höheres stabiles Leistungsniveau gebracht werden, so stellt sich zwangsläufig die Frage wie die weitere Planung zu gestalten und die sich bietenden Vorteile zu nutzen sind. Das ist besonders wichtig, wenn nicht so viele Völker zur Verfügung stehen, es an Zeit mangelt und Belegstellen weit weg liegen.

Der Aufwand für die künstliche Besamung ist für den Einzelnen aber erheblich, wenn professionell vorgegangen werden soll. Für ständige Kontrollen und Leistungsprüfungen fehlen aber meistens die Voraussetzungen. Drohnen müssen aus mehreren Völkern vorbereitet werden. Die umständliche Beschaffung von Sperma aus anderen Zuchten zu einem bestimmten Zeitpunkt ist auch nicht einfach, zumal es gegenwärtig dafür keine definierten Angebote im Handel gibt und eine Bestellung erst nach persönlicher Übereinkunft möglich ist. Ungeprüftes fremdes Material, das mit negativen Folgen aufspalten kann, ist auf jeden Fall zu meiden.

Rücksicht ist auch auf Nachbarn und die ortsübliche Bienenhaltung zu nehmen.  Anzumerken ist, daß Nachkommen aus unterschiedlichen Herkünften aber noch keine schlechten Eigenschaften haben müssen. Mit anderen Worten: Buckfast x Carnica gibt z.B. noch lange keine „Stecher“. Sie gehen bei Standbegattungen in den folgenden Generationen in der sogenannten „Landbiene“ auf, mit der nach wie vor die meisten Bienenhalter zufriedenstellend imkern und keinen Bedarf sehen daran etwas zu ändern.

Das ist alles zu bedenken. Und trotzdem: Die guten Ergebnisse in der Praxis bei Anwendung der instrumentellen Besamung sprechen für sich. Man muß sich nur auf das Wesentliche und Machbare beschränken. Experimente vornehmen zu können haben auch ihren besonderen Reiz.

Arbeitsteilung in einer Rotation

Eine Möglichkeit die Besamung mit geringerem Aufwand erfolgreich für bessere Zuchtergebnisse auf längere Sicht anzuwenden wäre die Rotation der Königinnenbesamung zwischen interessierten Züchtern in kleiner Gruppe. Solch eine enge Zusammenarbeit wird sich zwar in der Praxis nicht so oft anbieten, auf die Vorteile sei aber hingewiesen.

Nehmen wir einmal an drei Zuchtinteressierte haben die gleiche Zielsetzung und wollen fortan zusammenarbeiten. Jeder betreibt seine eigene Imkerei und zieht selbst seine Königinnen auf. Die Zusammenarbeit bietet sich nun dergestalt an, daß der Züchter A von seinem besten Volk guter Abstammung nachzieht (Verwandschaft möglichst berücksichtigen) und die Königinnen mit den Drohnen des Züchters B besamt. Besser noch, wenn bei B zu diesem Zweck von seinem ausgesuchten Volk Geschwisterköniginnen nachgezogen werden die als Drohnenerzeuger dienen. Die besamten Königinnen werden unter den Züchtern aufgeteilt.

Paul Jungels (Luxemburg) bildet Drohnenbrutableger, indem er bei den Waben die Ecken ausschneidet und dort Drohnenbrut entstehen läßt. Kurz vor dem Schlupf werden die Waben bienenfrei eingesammelt und in eine leere Beute verbracht, rechts und links mit einer Honigwabe versehen. Darunter und darüber befindet sich ein Absperrgitter. Darauf wird eine Leerzarge gesetzt und in diese werden die Bienen von 3 – 4 Honigzargen eingeschlagen. Die Jungbienen durchlaufen das Absperrgitter und besetzen die darunter befindlichen Drohnenbrutwaben des Drohnenspenders. Nach Wegnahme des Absperrgitters kann eine Folie aufgelegt werden, die eine Ecke freiläßt, und die Leerzarge kann bleiben. Die Drohnen haben dann mehr Bewegungsfreiheit, was fast einem Flugkäfig gleichkommt, wenn oben eine Scheibe aufgelegt wird.

Im darauf folgendem Jahr wird die ausgewählte Königin vom Züchter B in gleicher Weise mit den Drohnen von C besamt und immer so weiter. Die besamten Königen werden in jedem Jahr unter den Beteiligten aufgeteilt. Damit ist sichergestellt, daß der Zuchtbestand größer wird und keine störenden Einflüsse von außen das Bild verfälschen. Belegstellen können weiterhin genutzt werden und Standbegattungen für die Gebrauchsvölker sind ebenso möglich, sofern die Verhältnisse es vor Ort zulassen. Es ist auch nicht erforderlich sämtliche Königinnen künstlich zu besamen, sondern nur solche, die für die Weiterzucht in Betracht kommen. Die Durchführung der Besamung liegt in einer Hand, und die Imkerfreunde helfen dabei mit.

Bei der vorgeschlagenen Rotation würde das Ganze auf eine geschlossene Reinzuchtpopulation hinauslaufen. Sobald der Wunsch oder der Bedarf an interessantem Material für die eigene Zucht besteht so sollte davon über die Vaterseite der gleichen Rassezugehörigkeit Gebrauch gemacht werden. Eine generelle Öffnung der Population wäre unter den hier angenommenen Voraussetzungen nicht der richtige Weg.

Bei Teamarbeit bietet sich übrigens an, daß die Spermagewinnung und die Spermainjektion nicht von einer Person, sondern getrennt voneinander vorgenommen wird. Wenn z.B. die modifizierte Spritze (mit Luer-Verbinder 2 x weiblich) auf dem Magnethalter zum Spermasammeln benutzt wird ist kein zweites Besamungsgerät notwendig, sondern nur eine zusätzliche Optik mit Beleuchtung. Lohnbesamer arbeiten auf diese Weise (zur HARBO-Spritze siehe PDF-Datei 2 bei weiterführenden Infos in www.besamungsgeraet.de). Wenn die dritte Person sich um den Arbeitsplatz, das Verbrauchsmaterial und die Drohnen kümmert, dann ist das eine große Hilfe.

Es ist auch nicht erforderlich, daß die Spermagewinnung und die Besamung immer am gleichen Tag erfolgen muß. Das Sperma kann ohne weiteres mehrere Tage aufbewahrt werden ehe es zum Einsatz kommt.

Insgesamt dürfte das flexibel zu handhabende Rotationsverfahren in kleineren Zuchtgruppen ein praktikabler Weg sein die instrumentelle Besamung mit weniger Aufwand in Arbeitsteilung für die Zucht sinnvoll einzusetzen. Falls Rassemerkmale zu berücksichtigen und einzuhalten sind so ist das kein Hinderungsgrund und stünde dann auch der Zusammenarbeit mit den örtlichen Vereinen, den Bieneninstituten und Zuchtorganisationen nicht im Wege.